Beschreibung |
Im Zusammenhang mit seinem 100. Geburtstag hat wieder vermehrt Forschungstätigkeit rund um Friedrich Dürrenmatt eingesetzt, postkoloniale Fragestellungen spielten dabei allerdings kaum eine Rolle. Für Lektüren aus einer interkulturellen Perspektive bieten sich Dürrenmatts Texte aber bisweilen schon nach Ausweis ihrer Titel an, die öfters auf eine Situierung in der Fremde hinweisen: "Ein Engel kommt nach Babylon" (1953), "Abu Chanifa und Anan ben David" (1975), "Der Winterkrieg in Tibet" (1981) oder "Die Virusepidemie in Südafrika" (1989/94). Auch abgesehen davon stellen sich wichtige Handlungsmomente in seinem Werk regelmässig ausserhalb Europas ein, etwa die ausgerechnet in "irgendeiner verfallenen Judenschenke am Bosporus" geschlossene Wette zwischen Bärlach und Gastmann in "Der Richter und sein Henker" (1950/51). Viele von Dürrenmatts Figuren werden als Fremde markiert, sogenannte "N_" beispielsweise finden sich im Spätwerk allenthalben. Und last, but not least lassen sich Dürrenmatts Texte auch aus der Perspektive der Whiteness Studies neu lesen, u.a. "Der Verdacht" (1951/52).
Im Kurs wird es aber nicht nur darum gehen, gemeinsam herauszuarbeiten, wie Dürrenmatt vor allem in seinen kanonischen Texten mit dominanten Narrativen rund um Kolonialismus, Identität und Alterität umging. Wir wollen uns darüber hinaus auch Adaptionen widmen, die im postkolonialen Raum entstanden sind: z.B. Djibril Diop Mambétys herausragender Verfilmung des "Besuchs der alten Dame" von 1992. |